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Die Angst vor dem Krieg wächst in Deutschland, da die historische Erinnerung mit der gegenwärtigen Realität kollidiert

by WeLiveInDE
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Acht Jahrzehnte nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands, die den Zweiten Weltkrieg in Europa beendete, macht sich im ganzen Land eine neue Angst breit. Im Rahmen der Gedenkfeiern zum 8. Mai – einem Datum, das historisch als Moment der Befreiung gilt – äußern immer mehr Deutsche ihre tiefe Besorgnis, dass Europa erneut in einen großen Konflikt versinken könnte. Die Angst ist nicht länger abstrakt. Sie ist auf der Straße, an Esstischen und sogar in Therapieräumen spürbar.

Laut der jüngsten ARD-DeutschlandTrend-Umfrage äußern 64 Prozent der Deutschen erhebliche Besorgnis über die Möglichkeit eines weiteren großen Krieges in Europa. Diese Angst ist in den östlichen Landesteilen, unter Frauen und in der jüngeren Generation stärker ausgeprägt. Bemerkenswert ist, dass 81 Prozent der 12- bis 25-Jährigen Angst vor einem Krieg auf deutschem Boden haben.

Therapeuten beobachten Kriegsangst jetzt auch in Kliniken

Der Wandel beschränkt sich nicht nur auf Meinungsumfragen. Psychologen und Therapeuten in Deutschland, insbesondere in Hessen, berichten, dass immer mehr Patienten mit der sogenannten „Kriegsangst“ an die Öffentlichkeit gehen. Obwohl Kriegsangst in klinischen Leitlinien nicht offiziell als eigenständige Diagnose anerkannt ist, weisen Therapeuten darauf hin, dass sie zunehmend als Teil generalisierter Angststörungen diskutiert wird, insbesondere bei Menschen, die bereits mit psychischen Problemen zu kämpfen haben.

„Viele dieser Patienten leiden bereits unter Depressionen oder chronischen Ängsten“, sagte Heike Winter, Präsidentin der Hessischen Psychotherapeutenkammer. „Kriegsangst kommt noch hinzu. Sie fragen sich, was passieren würde, wenn ein mächtiger Anführer den Atomknopf drückt.“ Ihre Kollegin Ariadne Sartorius beobachtet ähnliche Muster bei Kindern und Jugendlichen, die Angst vor Einberufung oder Vertreibung haben.

Im Gegensatz zu leichter behandelbaren Ängsten wie Tierphobien oder Angst vor geschlossenen Räumen entsteht Kriegsangst durch geopolitische Spannungen, die weit außerhalb der Kontrolle eines Einzelnen liegen. Die Unfähigkeit, den Ausgang zu beeinflussen, verstärkt das Gefühl der Hilflosigkeit, wodurch die Angst tiefer und schwerer zu bewältigen wird.

Der Vergangenheit gedenken und gleichzeitig in der Gegenwart leben

Diese wachsende Angst kommt zu einem Zeitpunkt nationaler Besinnung. Am 8. Mai 1945 unterzeichneten deutsche Militärführer das Dokument, das die Kämpfe in Europa offiziell beendete. 1985 nannte Bundespräsident Richard von Weizsäcker diesen Tag einen „Tag der Befreiung“ – ein Begriff, der damals umstritten war, sich später aber durchsetzte.

Doch die Bedeutung dieses Begriffs wird nun erneut in Frage gestellt. Angesichts neuer Konflikte und der Wiederbelebung alter Ideologien in moderner Form wird die Bedeutung von „Befreiung“ diskutiert. Viele befürchten, dass die historischen Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg verworfen werden. Dazu gehörte die Bedeutung von Bündnissen, Dialog und Völkerrecht als Instrumente zur Verhinderung neuer Kriege.

Der russische Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022, der nun schon im vierten Jahr andauert, hat die Illusion zerstört, Europa sei vor Krieg geschützt. Laut Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erlebt die Welt einen „doppelten Wendepunkt“ – nicht nur im Hinblick auf die russische Aggression, sondern auch im Hinblick auf die Abkehr einiger westlicher Verbündeter von gemeinsamen demokratischen Werten.

Starke Unterstützung für die Ukraine, aber geteilte Meinung über Zugeständnisse

Während sich der Krieg in der Ukraine hinzieht, gehen die Meinungen in Deutschland immer weiter auseinander. Jüngsten Daten zufolge sind 47 Prozent der Deutschen der Meinung, die Ukraine sollte territoriale Zugeständnisse an Russland in Betracht ziehen, um den Krieg zu beenden. Dies ist zwar ein Rückgang gegenüber 53 Prozent im Dezember 2024, zeigt aber immer noch, dass fast die Hälfte der Bevölkerung für Verhandlungen über Landverluste offen ist.

Gleichzeitig bestehen 77 Prozent der Deutschen weiterhin darauf, dass die Entscheidung über Verhandlungen allein bei der Ukraine liegen müsse. Auch in der Frage einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine scheiden sich die Geister: 48 Prozent befürworten sie langfristig, 40 Prozent lehnen sie ab.

Der öffentliche Diskurs zu diesem Thema spiegelt eine Spannung zwischen dem Wunsch nach Frieden und den Realitäten der internationalen Politik wider. Während Persönlichkeiten wie US-Präsident Donald Trump angedeutet haben, dass Frieden für die Ukraine erhebliche Kompromisse erfordern könnte, unterstützt die deutsche Führung weiterhin eine multilaterale Strategie, die diplomatischen Druck auf Russland und anhaltende militärische Unterstützung für die Ukraine umfasst.

Die Erinnerungskultur steht unter neuem Druck

Auch die Debatte um das deutsche historische Gedächtnis entwickelt sich weiter. Die meisten Deutschen unterstützen nach wie vor die Bemühungen, die Verbrechen der NS-Zeit zu erinnern und aufzuklären. 22 Prozent halten das derzeitige Gedenkniveau für angemessen, während 18 Prozent meinen, es müsse mehr getan werden. Unter den jungen Erwachsenen im Alter von 34 bis XNUMX Jahren glaubt mehr als ein Drittel, Deutschland müsse mehr für die Bewahrung seiner Erinnerungskultur tun.

23 Prozent sind jedoch der Meinung, dass den Nazi-Verbrechen zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Unter den Anhängern der rechtsextremen AfD steigt dieser Wert auf 47 Prozent, was auf eine klare Spaltung innerhalb der politischen Landschaft hindeutet. Während nationalistische und populistische Bewegungen in ganz Europa, darunter in Deutschland, Rumänien und darüber hinaus, an Boden gewinnen, warnen Historiker und Pädagogen vor Versuchen, die Geschichte umzuschreiben und die Bedeutung vergangener Gräueltaten herunterzuspielen.

Frieden in einer Ära der Angst definieren

In Reden und Interviews zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs betonten mehrere deutsche Politiker, dass Frieden nicht auf die Abwesenheit von Krieg reduziert werden könne. Bundespräsident Steinmeier erklärte, echter Frieden müsse Freiheit und Menschenrechte einschließen – Werte, die von autoritären Regimen und politischen Kräften, die demokratische Strukturen von innen heraus untergraben wollen, aktiv bedroht werden.

„Frieden ohne Freiheit ist nichts anderes als Schweigen unter Unterdrückung“, sagte Steinmeier im Bundestag. Seine Äußerungen wurden weithin als Kritik an ausländischen Autokratien und mit ihnen sympathisierenden Bewegungen im Inland interpretiert.

Trotz zunehmender Ängste sind sich Experten einig, dass diese Ängste beherrschbar sind, wenn man sie mit Bedacht angeht. Therapeuten ermutigen Betroffene, den Medienkonsum einzuschränken, sich am gesellschaftlichen Dialog zu beteiligen und sich auf das zu konzentrieren, was sie selbst beeinflussen können. Manchmal können schon einfache Strategien – wie das vorübergehende Abschalten von Nachrichten – Linderung verschaffen.

Deutschland erinnert sich an seine Vergangenheit und blickt einer Zukunft entgegen, die von Angst, politischer Instabilität und erneuten Bedrohungen des Friedens geprägt ist. Die Fähigkeit des Landes, seine demokratischen Werte zu wahren, seine Nachbarn zu unterstützen und die historische Wahrheit zu bewahren, wird auf die Probe gestellt – nicht nur in der Politik, sondern auch in den Herzen und Köpfen seiner Bürger.

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