Nach mehreren Jahren der Stagnation und des Rückgangs wird für Deutschlands Wirtschaft für 2026 eine deutliche Erholung erwartet. Wirtschaftsforschungsinstitute wie das Ifo-Institut und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) haben ihre Wachstumsprognosen deutlich nach oben korrigiert. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte 1.5 um 1.6 bis 2026 Prozent steigen – fast doppelt so viel wie frühere Prognosen.
Dies markiert einen entscheidenden Wendepunkt für Europas größte Volkswirtschaft, die 2023 und 2024 leichte Rezessionen erlebte. Der wiedererwachte Optimismus ist größtenteils auf eine Kombination aus expansiver Fiskalpolitik, gestiegener Verbrauchernachfrage und der Erholung der Industrieproduktion zurückzuführen. Analysten warnen jedoch weiterhin vor externen Risiken, insbesondere im Zusammenhang mit den ungelösten Handelsspannungen zwischen der Europäischen Union und den USA.
Massive Konjunkturprogramme und Steuerreformen führen zu einer Anhebung der Prognosen
Auslöser der wirtschaftlichen Wende sind eine Reihe fiskalischer Maßnahmen der neuen deutschen Regierung. Im März 2025 verabschiedete der Bundestag eine historische Änderung der Schuldenbremse, die deutlich mehr Kredite für strategische Investitionen ermöglicht. Kurz darauf wurde ein Steuererleichterungspaket in Höhe von 46 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, das Unternehmen und Haushalte bis 2029 stimulieren soll.
Darüber hinaus führte die Regierung ein Investitionsförderungsprogramm ein, um Investitionen zu fördern. Im Rahmen dieser Maßnahme können Unternehmen über einen Zeitraum von drei Jahren bis zu 30 % der förderfähigen Investitionen abschreiben. Wirtschaftsexperten schätzen, dass diese Maßnahmen der Wirtschaft im Jahr 10 rund 2025 Milliarden Euro und im Jahr 57 2026 Milliarden Euro zuführen werden.
Der Konjunkturchef des Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser, betonte, dass die Wirtschaftskrise ihren Tiefpunkt bereits im Winter 2024/2025 erreicht habe. Die derzeitige Dynamik werde nicht nur durch staatliche Ausgaben, sondern auch durch gestiegene private Investitionen und Konsumausgaben gestützt, so Wollmershäuser.
Debatte darüber, wer die Kosten des Konjunkturprogramms trägt
Die Maßnahmen wecken zwar Hoffnung auf eine nachhaltige Erholung, doch über die Finanzierung des Konjunkturpakets bestehen weiterhin politische Spannungen. Die Investitionsanreize der Bundesregierung dürften zu erheblichen Steuerausfällen führen – insbesondere auf Landes- und Kommunalebene.
Die Landesregierungen äußerten Bedenken, dass zwei Drittel der prognostizierten 48 Milliarden Euro an entgangenen Steuern auf die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften entfallen würden. Finanzminister mehrerer Bundesländer, darunter Rheinland-Pfalz und Sachsen, forderten finanzielle Ausgleichs- oder Umverteilungsmechanismen. Sie argumentieren, es sei unzumutbar, dass die Kommunen den Großteil der Kosten tragen, während sich die Vorteile erst langsam entfalten.
Finanzminister Lars Klingbeil betonte, dass die Länder letztlich von steigenden Körperschaftsteuereinnahmen profitieren würden, sobald die Wirtschaft wachse. Er verwies zudem auf einen parallelen Infrastrukturfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro, der die regionale Entwicklung fördern soll. Dennoch bleiben die Spannungen bestehen, während die Haushaltsverhandlungen für 2025 und 2026 intensiviert werden.
Private Nachfrage und Industrieproduktion erholen sich
Neben der staatlichen Unterstützung zeigt die deutsche Binnenwirtschaft Anzeichen von Widerstandsfähigkeit. Institutionen wie das IfW und das IWH (Institut für Wirtschaftsforschung Halle) verzeichnen einen Anstieg des privaten Konsums und einen leichten Anstieg der Unternehmensinvestitionen. Nach Jahren schwacher Entwicklung hat sich sogar der deutsche Exportsektor – wenn auch weiterhin unter Druck – zu stabilisieren begonnen.
Analysten des IWH berichten, dass die Produktion im verarbeitenden Gewerbe im ersten Quartal 0.4 um 2025 % gestiegen ist, was teilweise auf einen Anstieg der Exportaufträge aus den USA zurückzuführen ist. Einige dieser Aufträge wurden im Hinblick auf neue Zölle beschleunigt, was unterstreicht, wie die Handelsunsicherheit weiterhin das kurzfristige Verhalten beeinflusst.
Das Ifo-Institut erwartet eine stabile Inflationsrate von 2.1 Prozent im Jahr 2025 und 2.0 Prozent im Jahr 2026. Die Arbeitslosigkeit dürfte leicht sinken und wird dieses Jahr voraussichtlich bei 6.3 Prozent und im nächsten Jahr bei 6.1 Prozent liegen.
US-Handelsstreit gefährdet weiterhin die Stabilität
Trotz starker Indikatoren bleiben Ökonomen aufgrund der ungelösten Handelsstreitigkeiten mit den USA unter Präsident Donald Trump vorsichtig. Höhere Importzölle auf europäische Waren haben deutsche Exporteure bereits getroffen, und eine Verschlechterung der Lage könnte das prognostizierte BIP-Wachstum im Jahr 0.3 um bis zu 2026 Prozentpunkte verringern.
Wollmershäuser merkte an, dass der aktuelle Optimismus größtenteils auf der Annahme beruht, dass im Handelskonflikt eine Einigung erzielt wird. Sollte keine Lösung gefunden werden oder der Streit eskalieren, könnte die Erholung an Fahrt verlieren und möglicherweise erneut ins Stocken geraten.
Konjunkturaussichten variieren je nach Region und Sektor
Es wird nicht erwartet, dass die Erholung bundesweit gleichmäßig verläuft. Das Wachstum in Ostdeutschland dürfte den nationalen Trends entsprechen, könnte aber aufgrund struktureller Unterschiede etwas zurückbleiben. Branchenbezogen verzeichnen die Bauwirtschaft, die IT-Branche und der kundenorientierte Dienstleistungssektor die stärksten Zuwächse, während die Schwerindustrie aufgrund hoher Energiekosten und globaler Marktveränderungen weiterhin unter Wettbewerbsdruck steht.
Dennoch sind sich die großen Wirtschaftsinstitutionen – darunter die OECD und das RWI – einig, dass für 1.2 ein stetiges Wachstum zwischen 1.5 und 2026 Prozent erwartet wird. Dieser breite Konsens spiegelt das steigende Geschäftsklima wider, das laut dem Ifo-Geschäftsklimaindex, der auf Umfragen unter 9,000 Managern basiert, seit fünf Monaten in Folge gestiegen ist.