Die Gesundheitsbehörden in Deutschland schlagen Alarm, nachdem in mehreren Regionen ein starker Anstieg der Diphtheriefälle verzeichnet wurde. Das Robert Koch-Institut (RKI), die zentrale deutsche Gesundheitsbehörde, bestätigte, dass es in Deutschland zu einem flächendeckenden Ausbruch der bakteriellen Infektion kommt. Die höchsten Konzentrationen wurden derzeit in Frankfurt, Berlin und anderen Ballungsräumen festgestellt.
Nach den jüngsten Daten des RKI Epidemiologisches Bulletin, 126 bestätigte Infektionen mit dem Bakterienstamm Corynebacterium diphtheriae – genauer gesagt Sequenztyp ST574 – wurden bis Ende April 2025 in Deutschland registriert. Der Stamm, der erstmals im Herbst 2022 in Deutschland entdeckt wurde, bereitet den Gesundheitsbehörden zunehmend Sorgen. Genetische Analysen zeigen eine zunehmende Übertragung innerhalb Deutschlands, was darauf hindeutet, dass der Ausbruch nicht mehr auf Einzelfälle oder importierte Fälle beschränkt ist.
Ausbruch weitet sich über Flüchtlingsunterkünfte hinaus aus
Obwohl sich viele der ersten Fälle auf Asylbewerber konzentrierten, insbesondere in Gemeinschaftsunterkünften, wurden neuere Häufungen in breiteren Bevölkerungsschichten festgestellt. In Frankfurt ist ein Anstieg der Fälle von Hautdiphtherie zu verzeichnen, der vor allem, aber nicht ausschließlich, obdachlose Personen betrifft. Ein weiterer Häufungsfall umfasst Atemwegserkrankungen in Berlin und anderen Regionen, darunter auch gebürtige Deutsche.
Das RKI berichtet, dass der aktuelle Ausbruch eine deutliche Verschiebung aufweist: Die autochthone Übertragung – also die Verbreitung innerhalb Deutschlands – ist nun häufiger. Besonders gefährdet sind nach wie vor gefährdete Bevölkerungsgruppen. Dazu gehören Flüchtlinge, Menschen ohne festen Wohnsitz, Menschen mit Suchtproblemen, Ungeimpfte sowie ältere Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen.
Angehörige der Gesundheitsberufe werden dringend gebeten, besonders aufmerksam zu bleiben. Das medizinische Personal wurde angewiesen, Patienten mit möglichen Symptomen sorgfältig zu untersuchen und ihren Impfstatus zu überprüfen. Labore werden außerdem aufgefordert, bei Verdachtsfällen spezifische Toxintests durchzuführen und bestätigte Infektionen umgehend den Gesundheitsämtern zu melden.
Eine gedanklich kontrollierte Krankheit erlebt ein Comeback
Diphtherie, einst als „Würgeengel“ der Kinder bekannt, ist eine schwere bakterielle Infektion, die Hals, Atemwege und Haut befallen kann. Die Hauptübertragungswege sind Tröpfchen in der Luft, insbesondere beim Husten oder Niesen. Auch Hautkontakt und kontaminierte Oberflächen können die Krankheit verbreiten.
Typische Symptome einer Atemwegsdiphtherie sind Halsschmerzen, Fieber und geschwollene Lymphknoten. In schwereren Fällen können grauweiße Flecken im Rachen auftreten, die zu Atembeschwerden führen können. Hautdiphtherie äußert sich in Form von chronischen Wunden oder Geschwüren, insbesondere in Bereichen mit mangelnder Hygiene.
Ohne rechtzeitige Behandlung kann die Infektion lebensbedrohlich werden. Das Diphtherie-Toxin kann über die Blutbahn gelangen und Organe wie Herz, Leber und Nieren schädigen. Nervenlähmungen und Multiorganversagen zählen zu den möglichen Komplikationen in unbehandelten Fällen. Mehrere aktuelle Berichte bestätigen, dass respiratorische Diphtherie während des aktuellen Ausbruchs tödliche Folgen hatte.
Immunitätslücken und abnehmende Impfabdeckung
Trotz des Wiederaufflammens der Krankheit ist Diphtherie weiterhin vermeidbar. In Deutschland gehört sie zum Routineimpfplan. Allerdings schwanken die Impfraten zunehmend, insbesondere bei Erwachsenen. Die Immunität lässt mit der Zeit nach, und viele Menschen wissen nicht, dass alle zehn Jahre eine Auffrischungsimpfung erforderlich ist, um den Schutz aufrechtzuerhalten.
Das RKI betont, wie wichtig es ist, den eigenen Impfpass zu überprüfen. Personen, die noch nie eine vollständige Diphtherie-Impfung erhalten haben, wird dringend empfohlen, die vollständige Grundimmunisierung mit drei Dosen durchzuführen. Kinder in Deutschland erhalten ihre ersten Impfungen üblicherweise im Alter von zwei, vier und elf Monaten, gefolgt von Auffrischungen im Alter von fünf bis sechs Jahren und erneut zwischen neun und 5 Jahren. Bei Erwachsenen wird die Auffrischung üblicherweise in Kombination mit Tetanus- und Keuchhustenimpfungen verabreicht.
Reisenden, die Regionen besuchen möchten, in denen Diphtherie noch immer endemisch ist – etwa Teile Afrikas, des Südpazifiks oder Osteuropas – wird außerdem empfohlen, vor der Abreise sicherzustellen, dass ihr Impfschutz auf dem neuesten Stand ist.
RKI fordert bundesweite Präventionsstrategie
Da die Zahl der bestätigten Fälle jedes Jahr steigt – von 55 im Jahr 2022 auf 49 im Jahr 2023, 18 im Jahr 2024 und mindestens vier bereits im ersten Quartal 2025 – warnt das RKI, dass diese Zahlen ohne dringende Präventivmaßnahmen noch weiter steigen könnten.
Die Gesundheitsbehörden fordern nun eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Kliniken, lokalen Gesundheitsämtern und Notunterkünften. Zu den Empfehlungen gehören unter anderem die Kontaktverfolgung, die sofortige Isolierung von Verdachtsfällen und Massenimpfkampagnen in Hochrisikoumgebungen.
Die steigende Zahl schwerer und tödlicher Atemwegserkrankungen, insbesondere bei ungeimpften und immungeschwächten Personen, unterstreicht die Dringlichkeit einer stärkeren Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Neben der Warnung des medizinischen Fachpersonals möchte das RKI die Bevölkerung über die Notwendigkeit einer Impfung und eine sofortige medizinische Versorgung bei Symptomen informieren.
Während Deutschland mit dem unerwarteten Wiederauftreten einer Krankheit zu kämpfen hat, die einst als unter Kontrolle galt, fordern Gesundheitsexperten die Bürger dringend auf, die aktuelle Situation als ernste, aber beherrschbare Herausforderung zu betrachten – eine Herausforderung, bei der die Eigenverantwortung des Einzelnen eine entscheidende Rolle bei der Verhinderung einer weiteren Ausbreitung spielt.